Unser bisheriges Hauptsegelgebiet waren die östlichen griechischen Inseln, die Kykladen und der Dodekanes. Abhängig von der Windrichtung haben wir eine passende Bucht gesucht und dort in Ruhe geankert. Immer in der Vorsaison und nicht gerade im überfülltesten Segelrevier. Wie wir schon im letzten Artikel beschrieben haben, zählen die Ankerkünste der Spanier nicht gerade zu den berühmtesten und außerdem haben sie generell auch einen Hang zum Kuscheln. Die Bucht kann gar nicht groß und leer genug sein, sie werden sich möglichst nahe an dein Boot legen. Der Wind dreht mehrmals täglich, daher strömen teils gut ½ Meter hohe Wellen unabhängig von der lokalen Windrichtung in die Bucht und beginnen das Boot ganz mächtig zu schaukeln. Dazu kommt, dass es am spanischen Festland hauptsächlich Felsküste gibt, wodurch die Wellen nochmals zusätzlich reflektiert werden. Wir beschließen also, wieder zu den kristallklaren Sandstränden der Balearen zurückzukehren und segeln wieder nach Ibiza.
Abhängig davon, welche Wind- und Wellenrichtung vorhergesagt werden und ob wir wieder einkaufen müssen, wechseln wir zwischen einigen Buchten in der Gegend um San Antonio hin und her. Erkunden die Umgebung, fahren mit dem Dinghi in Höhlen, Schwimmen, Schnorcheln, fotografieren ein paar Fische unter Wasser und genießen den täglichen Sonnenuntergang.
Am ersten Augustwochenende besuchen uns Gaby und Thomas, die wir am spanischen Festland kennengelernt haben, mit ihrer Abraxas in San Antonio auf Ibiza. Thomas ist Urologe und hat mit seiner ersten Frau und seinen beiden Kindern mehrere Jahre auf der Abraxas gelebt und ist von Holland aus in Europa und Nordafrika gesegelt, Gaby lebt mit ihrer Tochter seit sieben Jahren in Spanien, zunächst einige Jahre auf Ibiza, danach in Denia und ist mit ihrer Firma „Gabys Yachts“ als Yachtbrokerin selbständig tätig. Ihre tolle Unterstützung als TO Stützpunktleiterin haben wir bereits im letzten Artikel erwähnt. Dies kann man aber nicht oft genug loben, da sie uns auch noch unseren TO Stander bis nach Ibiza gebracht hat.
Beinahe hätte es nicht geklappt, denn kurz vor dem Ablegen Donnerstag abends rief noch ein Patient von Thomas an und erst nachdem dieser versorgt war, konnten sie lossegeln. Die Überfahrt war anstrengend, da sie starken Wind von vorne hatten und daher an Schlafen nicht zu denken war. Doch nachdem sie sich etwas ausgeruht haben, fahren wir abends mit dem Bus nach Ibiza. Wir besichtigen die Marinas, nehmen einen Aperitif in einem Café in der Marina Botafoch, der teuersten Marina auf Ibiza und beobachten das dortige Treiben. Aufgemachte Mädels spazieren entlang und hoffen, einen reichen Eigner abzustauben. Mit der Fähre fahren wir dann ins touristische Zentrum von Ibiza Stadt und bummeln durch die Unterstadt. Gaby erzählt, dass das Gebiet um die Altstadt und die Häfen im Winter total ausgestorben sind, sobald die Touristensaison vorbei ist. Jetzt am Wochenende sind jede Menge Menschen wie wir unterwegs, die Geschäfte und Lokale gut besucht. Gaby und Thomas kennen glücklicherweise ein typisch spanisches Lokal, in dem vornehmlich einheimische Speisen serviert werden und wir essen ausgezeichneten frischen Fisch zu einem sehr günstigen Preis. Nach dem Essen laufen wir noch am Markt und dem Aufgang zur Altstadt vorbei, um den Abend mit einem Cocktail im Fischerviertel ausklingen zu lassen. Inzwischen ist der letzte reguläre Bus abgefahren, der Discobus ist jedoch die ganze Nacht halbstündig unterwegs. Als wir nach einem Umweg, da die Einstiegstelle verlegt wurde, endlich beim Bus ankommen, warten dort bereits eine Menge hauptsächlich junger Leute, um das Handgelenk ein oder mehrere bunte Eintrittsbänder der Discotheken geschlungen. Durch erfolgreiches Drängeln schaffen wir es in den zweiten Bus, der uns infolge der „Musik“beschallung mit einem Gehörschaden und einem deutlich verringerten IQ zurück nach San Antonio bringt. Wir sind alt!
Vor kurzer Zeit haben wir noch über das spanische Ankern gelacht, das ist uns heute etwas vergangen. Glücklicherweise gibt es nur ein paar Kratzer. Aber wie sagte schon Tante Jolesch: „Gott schütze uns vor allem, was noch ein Glück ist!“
Was passiert ist, ist einfach zu beschreiben, doch für uns immer noch unbegreiflich. Wir lagen in der Bucht „Cala Moro“ in der nähe von San Antonio. Das Wetter war in den letzten Tagen sowie an diesem Tag nicht besonders. Der Wind war relativ stark (20-25 Knoten in Böen kurzfristig etwas mehr). Wir saßen gemütlich im Cockpit als wir unser wieder mal über die tollen Ankerkünste der spanischen Motorbootfahrer lustig machten. Ein kleineres Motorboot hatte es mal wieder geschafft, derart grottenschlecht auf schönem sandigen Untergrund zu ankern, dass das Boot auf große Fahrt ging. Was uns unbegreiflich ist, ist ob die Leute an Bord es lustig fanden, es nicht bemerkten oder ob es ihnen egal war, da die Fahrt über die gesamte Bucht hinweg ging. Dies sind etwas über 400 Meter!
Pech kann doch jeder mal haben, ist halt so und man sollte sich dadurch nicht entmutigen lassen, so auch unser Freund der spanische Motorbootfahrer. Er kam den „weiten Weg“ zurück und versuchte es nochmal. Da haben bei mir nur noch die Alarmglocken geläutet, da er es diesmal vom Wind her gesehen direkt vor unserem Boot tat! Monika kam noch gerade rechtzeitig mit dem Fotoapparat zurück, da die große Fahrt wieder begonnen hatte. Die Leute an Bord des Motorboots dürften sich gewundert haben, wieso das Land immer kleiner und kleiner und kleiner wurde, keiner konnte jedoch das Rätsel lösen, bevor wir vom Bug unseres Bootes angefangen haben in voller Lautstärke zu brüllen (wie wir später erfuhren, muss ich mein Stimmorgan noch trainieren, da es bei weitem nicht mit Monis mithalten kann).
Das Motorboot war mittlerweile auf 20m an die Aroha herangekommen, doch unsere Schreie und die Versuche dem Skipper klar zu machen, dass er unseren Anker mittlerweile schon überfahren hatte, wurde nur mit einem Zeichen „Keep cool“ abgetan. Er hat auch noch nichts unternommen um die Situation zu entschärfen. Dazu mussten erst mal seine Passagiere unruhig werden und bei 10m war er dann so gnädig den Motor anzudrehen und in seiner unermesslichen Weisheit sein Boot 5m vor unserem in die falsche Richtung zu bewegen, sodass er unsere Kette nicht verfehlen konnte.
Wer glaubt, der Höhepunkt wäre erreicht irrt. Man kann die Lage noch verschlimmern, doch bräuchte ein Sachkundiger dafür erst mal jahrelange Erfahrung. Unser allerbester Freund schaffte dies im Handumdrehen, indem er seine Kette einholte, da es für ihn eine Sache der Unmöglichkeit war, dass sein Anker in unserer Kette hängen könnte! Das Ergebnis war eine Manövrierfähigkeit nicht mehr nahe Null sondern nicht mehr existierend und sein Boot rammte unseren Bug inklusive Bugkorb!
Die Geschichte ginge in dieser Art noch lange weiter. Um sie kurz zu fassen, wurden alle meine Anweisungen die ich rüberbrüllte mit seinem „Keep cool“ Zeichen beantwortet, bis seine Passagiere sich einmischten und auf ihn einredeten. Er hat uns seitlich noch zweimal touchiert bevor es ihm gelang sein Boot etwa 10m vor unseres zu stellen. An dieser Stelle wollte er, dass ich meinen Anker heraushole. Da war es wieder nicht leicht, ihm klarzumachen, dass meine Kette weit unter seinem Boot vorbeiging.
Ende Gut, alles gut. Unser Boot hat zum Glück nur oberflächliche Kratzer davongetragen. Unser lieber Freund ist ohne Entschuldigung abgehauen, noch bevor ich das Schiff fertig inspizieren konnte. Es kam aber prompt ein Engländer vom Nachbarboot herüber, um sich als Zeuge anzubieten, falls wir es benötigten. Er hatte nämlich Monikas Schreie gehört und hat somit diesen Zirkus von Beginn an mitverfolgt. Ihm ist nämlich in einer anderen Bucht das gleiche passiert!
Am 13. August darf ich nochmals in den Mast hinauf, da sich der Radarreflektor verschoben hat und das Großfall immer wieder darin hängenbleibt. Zwei Tage später erkunden wir die Bucht Codolar auf der Suche nach einem Supermarkt, den wir erst in Coralmar finden.