Am 5. November 2010 brechen wir um ½ 5 Uhr früh noch vor Sonnenaufgang auf und erreichen am Nachmittag die kleine venezolanische Insel Tortuga. Sie ist total flach und wird nur von einigen Fischern und Millionen Gelsen bewohnt. Die haben uns den Aufenthalt leider total vermiest. Nachdem wir uns nach unserer Ankunft ausgeschlafen haben, wollen wir einen Sundowner im Cockpit nehmen. Als wir jedoch von Dutzenden Gelsen als Abendessen auserkoren werden, haben wir das große Moskitonetz vor den Niedergang gehängt und uns mit unseren Bechern darunter auf den Boden gesetzt, damit wir wenigstens ein bisschen etwas vom Himmel sehen. Und einen guten Teil der Nacht verbringen wir mit der Gelsenjagd.
Auch am Morgen müssen wir vor dem Frühstück alle im Cockpit verbliebenen Gelsen töten, die dort hungrig auf uns gewartet haben.

Ansonsten freuen wir uns, dass wir endlich wieder im Meer schwimmen können.Außer uns sind auch nur wenige Segelboote da und wir genießen die Ruhe und den Frieden bis zum Abend.
Einige Tage später verlegen wir uns zur winzig kleinen Nachbarinsel Cayo Herradura. Doch sehr bald haben wir von den Gelsen genug und segeln weiter nach Los Roques.

Wir sind nachmittags los gesegelt und können bei schönem Rückenwind wieder die Segel ausbaumen und einen Schmetterling fahren (ein Segel nach rechts und ein Segel nach links von der Mitte). Mitten in der Nacht nähern wir uns immer mehr der kleinen Isla la Orchila, die militärisches Sperrgebiet ist und um die man einen Bogen von mindestens fünf Meilen machen muss. Wir passen den Kurs an, aber die Strömung und die Windrichtungsänderungen treiben uns weiter Richtung Orchila, wir passen an, doch die Insel kommt immer näher. Und auch ein Kriegsschiff kommt mal nachsehen, wer sich da herumtreibt. Offensichtlich werden wir aber nicht als Gefahr eingestuft, denn wir werden nur betrachtet und dürfen unbehelligt weiter segeln. Da uns Orchila aber nicht loslassen will, machen wir jetzt eine Q-Wende und segeln einige Meilen weit weg, bevor wir wieder Kurs auf die Roques legen.

Am Morgen können wir endlich den Leuchtturm bei der südlichen Riffeinfahrt sehen und werden von zahlreichen Vögel, die gerade ihren Frühstücksfisch jagen, begrüßt.
Der venezolanische Nationalpark Los Roques besteht aus einer Gruppe von mehr als vierzig meist kleinen bis kleinsten Inseln, die von einem Riff umgeben und daher gut geschützt sind. Mit Ausnahme von Gran Roque, der Hauptinsel, sind alle Inseln flach und unbewohnt.
Auch innerhalb des Außenriffes gibt es noch zahlreiche Riffe und Sandbänke, daher ist Augapfelnavigation angesagt. Ich stelle mich an den Bug. Die Farbe des Wassers gibt Auskunft über die Tiefe. Je dünkler das Blau, desto tiefer. Wir haben einen Tiefgang von 1,60m, da sind das ganz hell türkise Wasser und die bräunlich schimmernden Riffe gefährlich. Zusätzlich muss ich auch prüfen, dass im normalerweise tieferen Wasser keine Korallen oder Steine eine problematische Höhe erreichen. Zusätzlich reduzieren wir stark die Geschwindigkeit, damit wir bei einem Fehler keinen größeren Schaden davon tragen, wie zum Beispiel das eine Wrack, das ihr bei den Bildern sehen könnt.
Wir erreichen unseren Ankerplatz, die Franciscus Bay neben Gran Roque, glücklicherweise ohne Kratzer. Wir ankern in großer Entfernung der Untiefen und anderer Schiffe. Dafür müssen wir am nächsten Tag etwas weiter schwimmen, um zum Riff vor uns zu gelangen, das sich aber nur als uninteressante fischlose Sandbank herausstellt. Am Rückweg schwimmen wir bei einem deutschen Boot namens Fernweh vorbei, das am Abend davor gekommen war, um Hallo zu sagen, und werden von dem Pärchen sofort für etwas später zur Jause mit !Apfelkuchen!! eingeladen. Beim Weiterschwimmen rätseln Eric und ich, dass die beiden uns bekannt vorkommen und wir glauben, dass wir sie in Gomera kennengelernt haben. Wir sprechen Heike und Bernd bei der Jause darauf an und tatsächlich haben wir mit ihnen bei Andy´s Grillabend in San Sebastian geplaudert. Auch sie haben sich inzwischen daran erinnert. Heike und Bernd sind beide Ärzte und reisen immer nur in Etappen, danach arbeiten sie wieder einige Monate in Deutschland. Sie wollen auch einige Tage auf den Roques bleiben und wie wir über die Aves nach Bonaire und Curacao segeln. Für 10.12. haben sie ihren Rückflug aus Cartagena gebucht. Wir beschließen gemeinsam zu segeln. Während wir noch unsere Segelerlebnisse austauschen, legt eine Pirogge des Nationalparks bei der Fernweh an und zwei Wächter kommen an Bord. Das Problem bei Los Roques ist, dass du hier nicht international ausklarieren (also die Zollformalitäten erfüllen) kannst. Daher haben wir das bereits in Puerto La Cruz bzw. die Fernweh auf Isla Margarita gemacht. Deshalb dürften wir uns maximal zwei Tage in den Roques für den Transit aufhalten. Andere Segler, die bereits in den Roques waren, haben uns versichert, dass man nur selten kontrolliert wird und wenn, dann in Gran Roques. Wir sollten aber möglichst immer nur eine Nacht auf einer Insel verbringen. Das ist aber bereits der zweite Tag. Die Wächter können nicht englisch, wir nicht spanisch. Soviel wir verstehen, wollen sie wissen, seit wann wir hier sind und wie lange wir bleiben wollen. Wir erklären, dass wir erst heute angekommen sind und morgen die Roques verlassen werden. Sie meinen, dass wir morgen nach Gran Roques kommen sollen, um eine Nationalparkgebühr von 100$ zu entrichten. Sie versuchen immer wieder etwas zu sagen, aber wir verstehen nichts, versichern aber, dass wir am nächsten Tag zahlen kommen. Da fahren sie wieder ab. Wir glauben, dass sie Bakschisch haben wollten.

Gegen Sonnenuntergang fahren wir gemeinsam mit unserem Dinghi, dem wir in Puerto La Cruz einen neuen 8 PS starken Außenborder gespendet haben, hinüber nach Gran Roque. Das wäre mit dem alten Motor nicht möglich gewesen, denn da wären wir stundenlang unterwegs gewesen und mit dem alten Dinghi in den Wellen halb abgesoffen. Wir spazieren durch den kleinen Ort mit den bunten Häusern. Es gibt nur Sandstraßen, einen Müllwagen und ein Baufahrzeug. Am Hauptplatz herrscht reges Leben und die Stimmung ist echt super. An einer Stelle sind Tische im Kreis aufgebaut, darauf werden Platten mit Langusten ausgestellt. Ein Kinderchor singt und die Köche werden für das lokale Fernsehen interviewt.
In einer Pizzeria essen wir zusammen eine Pizza. Der Besitzer spricht ausgezeichnet englisch und wir schildern unser Erlebnis mit den Parkaufsehern. Er erklärt uns, dass wir nichts bezahlen müssen, weil wir in Transit sind und wir daher nur zwei Tage bleiben dürfen. Würden wir etwas bezahlen, dürften wir vierzehn Tage bleiben, das ist aber nicht erlaubt, weil wir dafür international einklariert sein müssten. Er meint aber, dass wir ruhig bleiben können, wir sollen uns nur etwas weiter weg von Gran Roque aufhalten. Alle paar Monate wechselt der Superwiser und da ist über das Wochenende kein Chef da. Da fahren die Wächter herum und versuchen von den Booten unerlaubterweise Geld einzutreiben.

Wir zahlen also am nächsten Tag keine Gebühr und segeln weiter nach Sarqui, Noronsqui und Elbert Cay. Wir verbringen die Tage mit Schnorcheln, Strandspaziergängen und gemeinsamen Essen, von Aufsehern werden wir nicht mehr belästigt. Auf Noronsqui sind wir die einzigen beiden Boote und nachdem Abends die Touristen wieder abgeholt wurden, haben wir bis zu unserer Abfahrt eine Insel für uns alleine. Einmal tauschen Heike und Bernd beim Fischerboot eine Flasche Wein gegen vier Fische und laden uns am Abend zu gegrilltem Fisch mit Zitronenbutter, Kartoffeln und Callaloo, das ist so ähnlich wie Spinat ein. Köstlich!

Am 17. November verlassen wir bei Sonnenaufgang die Roques und segeln zu den Aves. Die Aves bestehen aus mehreren Inseln in Korallenriffen. Wir ankern auf der Isla Sur. Auch hier muss man aufmerksam durch die Riffe navigieren. Die Inselgruppe hat ihren Namen Aves (Vögel) von den zahlreichen Vögel erhalten, die hier leben. Es gibt nur einen Beamten, der auf der nördlicheren Insel lebt, ansonsten eben nur Vögel und gelegentlich Fischer und Segler. Leider wird für den nächsten Tag Nordwind vorhergesagt und für den übernächsten Tag Flaute, zusätzlich soll es auch noch regen. Daher schließen wir uns der Fernweh an und verlassen die Aves bereits am nächsten Morgengrauen.
Das war auch eine gute Entscheidung, denn nach den ersten paar Meilen gibt es nur mehr durchgehende Bewölkung und strömenden Regen. Dann dreht der Wind sogar auf Süd. Und nimmt immer mehr zu. Etwa sechs Meilen vor Bonaire haben wir schon dreizig Knoten in den Böen und als wir an der Südspitze unter Motor entlang sind, weil der Wind dann genau von vorne aus Westen kommt und wir in dem Sauwetter nicht aufkreuzen wollen, ist der echte Wind schon konstant auf dreizig Knoten. Die Wellen werden auch immer steiler und kürzer. Bei der Schaukelei löst sich unser Spinnakerbaum, der am Mast verstaut ist und geht über Bord. Wir machen zwar sofort ein Überbordmanöver, verfehlen ihn beim ersten Mal aber knapp. Beim zweiten Versuch berührt ihn Eric schon, kann ihn aber nicht festhalten, weil er zu dick ist und bereits untergeht. Das schmerzt, denn jetzt müssen wir einen neuen Spinnakerbaum kaufen.
Dann müssen wir auch noch in den Hafen, denn die Bojen kann man bei dem Wind und Seegang gar nicht ansteuern. Aber nach der Überfahrt sind wir auch froh, ruhig und sicher liegen zu können.

Am nächsten Tag sind wir stundenlang durch Kralendijk gelaufen, zum Zoll, zur Wäscherei und zum Supermarkt. Im Supermarkt habe ich vor Freude gejubelt. Leider haben wir nur den Rucksack dabei und können daher nicht so viel einkaufen aber endlich wieder verschiedenste Käsesorten und andere Milchprodukte, köstliche Kekse, dunkles Brot, Blätterteig, Schinken, Apfelmus und Müsli. Das ist wie verfrühtes Weihnachten.
In einem Cafe nehmen wir noch ein spätes echt köstliches Mittagessen. Nur die Preise sind leider auch europäisch und nicht mehr venezolanisch. Daher verlegen wir uns an eine Boje, denn der Hafen ist auch viel zu teuer.
Am Tag vor unserer Weiterreise mieten wir gemeinsam mit der Fernweh ein Auto und fahren einmal um die Insel. Wir schnorcheln vom Strand aus Strand aus und sehen wunderschöne bunte Korallen und bunte Fische. Im Gotomeer bewundern wir die Flamingos, sehen die Salzberge und bedauern die Sklaven, die in den winzigen Sklavenhütten hausen mussten. Dann verabschieden wir uns mit einem Sundowner von Bonaire.

Am 23. November legen wir morgens Richtung Curacao ab und ankern am Nachmittag in Spanish Water eine riesige gut geschützte Bucht, in der bereits hundert andere Segel- und einige Motorboote liegen. Gegen Abend fahren wir vier mit dem Beiboot an Land und wandern die Straße entlang in der Hoffnung, dass entweder ein Autobus oder ein nettes Lokal vorbeikommen. Da hält eine Dame, die gerade mit ihrem Handy telefoniert, an und deutet uns einzusteigen. Sie unterbricht kurz ihr Gespräch, um zu fragen, wohin wir den wollen. Zu einer Strandbar am liebsten. Da kann sie uns gerne hinbringen. Eine Viertelstunde später sitzen wir auf Korbstühlen am Strand und genießen unsere kalten Getränke.
Der nächste Tag führt uns nach der Hauptstadt Willemstad, wo mal wieder die lästigen Zoll-/Immigrationsformalitäten erledigt werden müssen. Dabei können wir gleich die Sehenswürdigkeiten wie den Floating Market, der aus am Fluss vertäuten Booten besteht, von denen Obst und Gemüse verkauft wird und die Königin Emma Brücke, eine Fußgängerbrücke, die die beiden Stadtteile von Willemstad verbindet und geöffnet wird, wenn ein Schiff in den Fluss einfahren will.

Freitags ist Happy Hour im Fisherman Restaurant und da treffen wir alte Freunde wieder. Meggie und Walter von der Double Moon, die wir auch in Gomera und Manfred von der Schiwa, den wir gemeinsam mit seiner Frau Gudrun in Barbados kennengelernt haben. Leider ist Gudrun derzeit in Deutschland.

Am Montag wollen wir mit der Fernweh nach Kolumbien segeln. Wir erwarten am 12. Dezember Michi zu Besuch in Panama, da ginge sich der kleine Umweg noch aus. Doch das Wetter macht uns einen Strich durch die Rechnung: Regen, Gewitter und starker Wind sind angesagt. Da ist es besser auf Kolumbien zu verzichten. Da wir bereits ausklariert haben, müssen wir also wieder nach Willemstad um die Ausklarierung zu stornieren und wieder einen Tag verschwendet.
Da es in den nächsten Tagen meistens regnet, unternehmen wir nicht sehr viel. Erledigen die Einkäufe, warten das Boot und unsere Webseite, machen Besuche. Eric setzt das Notebook der Fernweh neu auf. Am Donnerstag verlassen uns Heike und Bernd und segeln nach Santa Marta in Kolumbien, weil sie am 10. Dezember von Cartagena nach Hause fliegen.

Wir feiern noch meinen Geburtstag am Freitag bei der Happy Hour mit Meggie, Walter und Manfred und anschließend führt mich Eric ins nebenan gelegen Restaurant zu einem ausgezeichneten Essen aus.

Samstag gibt es kurz Sonnenschein, denn wir zu einem Spaziergang am Strand entlang zu einem alten Fort nutzen. Am Nikolaustag lichten wir endlich den Anker und segeln nach Panama.