Am 3.8.2010 um 8 Uhr früh fahren wir Aroha zur Werft, damit ihr Unterwasserschiff wieder sauber gemacht wird. Als wir uns dem Kran mit dem Bug voraus nähern, rufen die Arbeiter „Popa, popa!“ Wir haben natürlich keine Ahnung, was das bedeutet und fahren weiter. Als wir fast angelegt hatten, schaffen sie uns klar zu machen, was „popa“ bedeutet. Das Boot muss in die andere Richtung liegen. Also nochmal raus um dieses Mal mit dem Heck voran in der Kranlücke anzulegen.
Dies wäre geschafft. Und wir werden uns lange merken, was „popa“ bedeutet!
Nach kurzen Vorbereitungen ist es soweit. Aroha wird in die Gurte gespannt und das Kranen kann beginnen. Anfangs läuft auch alles ganz gut, unser Heim hebt sich langsam aus dem Wasser. Die Kielbombe ist nur mehr einige Zentimetern im Wasser, als der Kran sich plötzlich in einen Springbrunnen verwandelt! Hydrauliköl spritzt seitlich heraus und Aroha gerät langsam aber sicher aus dem Gleichgewicht. Unsere Herzen setzen kurz aus, da lässt der Kranführer auch schon das Boot wieder ins Wasser zurück.
Wir können durchatmen, wir sind mal wieder bloß mit dem Schrecken davon gekommen. Es dauert aber den ganzen Tag bis der Kran erneut einsatzbereit ist. Erst gegen sechzehn Uhr steht Aroha endlich an Land.
Der Tag wäre schon ereignisreich genug gewesen, da fällt mir auf, dass unsere Wellenstütze verbogen ist! Das muss repariert werden, aber zum Glück wurde der Rumpfdurchlass um Haaresbreite nicht beschädigt.
In den nächsten Tagen folgen einige Diskussionsrunden, um zu klären, wie der Schaden beseitigt werden kann. Die Wellenstütze müsste eigentlich entfernt werden, um gerade gebogen zu werden. Dies kommt nicht in Frage, da sie aus dem Rumpf heraus geschnitten und danach wieder einlaminiert werden müsste. Nach Rücksprache mit unserem Händler wird entschieden, dass sie an Ort und stelle mit roher Gewalt in ihre ursprüngliche Form zurückgebracht wird. Sollte bei dieser Aktion etwas brechen, bleibt uns dann nicht anderes mehr übrig als sie aus dem Rumpf herauszuschneiden. Dies sind wahrlich keine berauschenden Neuigkeiten.
Die Operation wird durch die führenden Mitarbeiter der Werft selbst ausgeführt. Dies ist kein schöner Anblick, auch das Knirschen geht mir durchs Rückenmarkt. Zusehen zu müssen wie Aroha malträtiert wird, tut mir in der Seele weh. Monika hat es sich von Anfang an gespart und wartet bei Freunden aufs Ergebnis. Nach ein Paar Stunden kann ich ihr zum Glück von einem Happy End berichten.
Die restlichen Arbeiten am Boot verlaufen planmäßig, sodass Aroha nach fünf Tagen wieder im Wasser schwimmt. Jetzt sind wir gefragt, die Spuren der Werft (Dreck und Staub) müssen geputzt werden.
Venezuela soll so schön sein und wir haben bis jetzt noch nichts vom Landesinneren gesehen. Es wird höchste Zeit dies zu ändern. Wir setzen uns mit Matthias in Kontakt und planen mit ihm einen Ausflug ins Orinoco Delta. Matthias ist deutscher, lebt aber seit langem hier und kennt daher das Land wie seine Westentasche. Er besitzt eine Posada in Pui Pui und organisiert individuelle Touren (Pui Pui Tours).
Wir reisen mit dem Auto an. Dies ist eine gute Möglichkeit, die Unterschiede im Land zwischen Puerto la Cruz und dem Orinoco Delta mitzubekommen. Das Delta selbst ist wunderschön. Es gibt eine so große Vielfalt an Tieren und Pflanzen, dass man nicht müde wird, diese zu beobachten.
Die größte Verwunderung lösen aber die Indios aus, die das Gebiet besiedeln. Sie leben in „Hütten“ auf Stelzen, die bestenfalls aus einem Boden und einem Palmendach bestehen. Wenn der Ort ihnen nichts mehr bietet, ziehen sie einfach weiter. Es gibt noch Familien die ganz einfach ohne weiteren Komfort leben. Daneben kann man aber auch Behausungen mit Stereoanlage und Fernsehapparat von einem Generator betrieben, bewundern. Dies wird extrem skurril, da man sich mitten im Dschungel befindet!
Es gibt auch größere Ansiedlungen mit derartigen Hütten und „richtigen“ Häusern nebeneinander. Da darf dann natürlicherweise die elektrische Pfadbeleuchtung auch nicht fehlen. In solchen Dörfer ist gewöhnlicherweise auch eine Schule vorhanden. Diese Mischung von naturnahem Leben und moderner Zivilisation hinterlässt einen seltsamen Eindruck.
Wir übernachten in einer Lodge mitten im Dschungel. Die Holzhütten sind ebenfalls auf Stelzen und Richtung Fluss offen. Darin befindet sich lediglich ein Bett mit Moskitonetz, ein kleiner Tisch und 2 Hocker. Aber mehr ist auch nicht notwendig. Zum Abendessen läuft der Generator für Licht und Musik, danach ist man auf Kerzen und Fackeln angewiesen. Es gibt unglaublich viele Geräusche in der Nacht und in der Früh wird man von den Brüllaffen in der Ferne geweckt.
Am ersten Abend paddeln wir in einem Einbaum über den Fluss. Die Stimmung ist mystisch. Die begleitenden Indios fangen einen Babykaiman, den sie mit zur Lodge nehmen, wo ihn dann jeder für einige Fotos lang halten darf.
Auch in der Früh vor dem Frühstück fahren wir mit dem Einbaum hinaus und genießen die Stille, die nur durch den Wind und die Geräusche der Tiere unterbrochen wird. Leider sind die Tiere sehr scheu, sodass wir sie nur von Ferne sehen und fotografieren können. Besonders gut gefällt uns auch die Dschungelwanderung. Wir lernen, aus welcher Pflanze wir Wasser trinken können, wozu wir Palmblätter verwenden können und wie wir auf eine Palme klettern könnten.
Nach drei Tagen kehren wir mit einer wunderschöne Erfahrung mehr zu unserem Boot zurück.
Der August neigt sich dem Ende zu, wir wollen Mitte September weiter segeln und überlegen weitere Ausflüge zu unternehmen. Doch daraus wird nichts mehr, da meine Mutter mir am Tag unserer Rückkehr aus dem Orinocodelta mitteilt, dass mein Großvater sehr krank ist. Wir entscheiden uns daher kurzfristig für einen Monat nach Europa zurückzufliegen. Wir finden einen günstigen Flug von der Isla Margarita nach Frankfurt. Obwohl der Flug erst um 17:30 Uhr startet, buchen wir die Schnellfähre um 8 Uhr morgens. Man weiß ja nie. Und das war auch gut so. Denn um 8 Uhr hat sich die riesige Menschenschlange noch immer nicht bewegt. Und gegen 9 Uhr legt die Fähre ohne Passagiere ab. Wir verstehen irgendetwas mit Motorschaden. Glücklicherweise ist aber noch eine zweite Fähre da, die jetzt zum Pier kommt und nachdem wunderbarerweise alle Personen Platz gefunden haben, legen wir endlich ab. Am Flughafen erleben wir noch eine Überraschung. Bevor wir überhaupt zu den Check-In-Schaltern vorgelassen werden, müssen wir unser gesamtes Gepäck auf Tischen ausräumen, wo Soldaten jedes Stück durchsehen und daran schnuppern! Unser Soldat hat Glück, dass wir nur frisch gewaschene Wäsche dabei haben.
Mitte Oktober sind wir zurück an Bord, beschließen aber keine größeren Ausflügen zu unternehmen, da wir einige Zeit brauchen, um uns wieder an das Klima zu gewöhnen. Ein bisschen was vom Land möchten wir trotzdem noch sehen. Wir sprechen mit Matthias, der uns eine kleine dreitägige Tour Richtung Pui Pui vorschlägt. Wir besuchen die Guacharohöhle bei Caripe. Im
Wesentlichen ist es eine gewöhnliche Tropfsteinhöhle, interessant ist aber die Vogelart, die darin lebt und sich mit Schreien wie Fledermäuse orientiert. Jedenfalls gibt es an diesem Tag ein sehr starkes Gewitter mit ordentlichem Regen, daher wird uns schon beim Kartenverkauf gesagt, dass wir nur bis 800 statt 1200 Metern hinein gehen können und die große Halle daher verpassen werden.
Wir erreichen gerade noch den Eingang, da fängt es wieder ordentlich an zu schütten. Der Guide zeigt uns immer wieder an den Wänden wir hoch das Wasser steigen kann, dies beeindruckt uns jedoch nicht, noch nicht. Bei knapp 500 Metern schaut der Führer auf ein Bächlein und meint, dass es viel zu schnell fließt und der Wasserpegel schon zu hoch ist. Der Weg ist nur mehr einige Zentimeter über Wasser. Er zeigt uns an der Wand wie hoch das Wässerchen werden kann, gute 1,5m. Wir drehen rasch um und rennen fast hinaus. Dies kommt mir doch etwas übertrieben vor, bis wir wenige Metern weiter bereits Knöchel tief durch strömendes Wasser gehen müssen. Kurz darauf werden wir auch schon von oben geduscht! Nichts wie raus hier!!
Endlich sind wir wieder draußen, doch immer noch gefangen. Der Höhlenausgang wird vom Eingangsgebäude durch einem reißenden Bach getrennt. Die kleine Steinbrücke ohne Geländer ist komplett überflutet. Da gibt es keinen Übergang mehr. Der Führer probiert noch den Ersatzweg, der nur über einen kleineren Zufluss führt, aber auch dieser ist zu sehr angeschwollen und die Rutschgefahr zu groß. Also müssen wir ausharren und auf ein Nachlassen des Regens warten. Eine weitere Gruppe, die weiter drinnen in der Höhle war, gesellt sich zu uns. Nach etwa einer halben Stunde lässt der Regen so weit nach, dass man den Seitenzufluss überqueren kann. Je ein Führer stellt sich auf jede Seite des Baches und einer in der Mitte und so wird man von Hand zu Hand weitergereicht. Die Kinder werden von den Führern hinüber getragen. So haben wir auch ein kleines Abenteuer. Was Matthias nicht alles tut, um zufriedene Gäste zu haben. Wir sind erledigt und begeben uns auf dem direktesten Weg zu Matthias Lodge am Strand von Pui Pui.
Am nächsten Tag besuchen wir Aqua Sana, wo man in kleinen Teichen in Thermalwasser unterschiedlicher Temperaturen plantschen kann und die Teufelsquelle, wo heißes stark schwefelhaltiges Wasser kochend heiß aus dem Fels fließt. Darin könnte man locker ein Ei kochen. Um den Speck kümmert sich Mutter Sonne.
Die Hauptstraßen in Venezuela sind einigermaßen gut erhalten, die Nebenstraßen sind aber in einem katastrophalen Zustand. Teilweise weggebrochen, teilweise gar nicht mehr asphaltiert, da werden die Stoßdämpfer arg strapaziert. Am Straßenrand gibt es zahlreiche Kakaobäume und vor den Häusern sehen wir häufig Kakaobohnen zum Trocknen ausgebreitet. Da bietet sich doch der Besuch einer Schokoladenfabrik auf dem Rückweg an. Zuerst sehen wir die Kakaobäume und dürfen auch von den rohen Früchten kosten, die entfernt an Litschis erinnern. Danach werden wir durch die Fabrik geführt und man erklärt uns, wie die Schokolade hergestellt wird. Dabei muss vor allem beim Mischen der Kakaomasse und der Kakaobutter genau auf die richtige Temperatur geachtet werden, denn sonst entstehen diese weißen Flecken, die wir kennen, wenn die Schokolade zu heiß wurde. Zum Schluss dürfen wir verschiedene Schokoladensorten und einen Schokoladenlikör kosten. Am besten schmeckt uns die Schokolade mit den Kakaobohnensplittern und jene, die mit den drei Gewürzen Zimt, Nelken und Muskat angereichert ist. Da fühlen wir uns verpflichtet zuzuschlagen.
Zurück im Hafen bereiten wir unsere Abreise vor, denn nach so langer Zeit „Inaktivität“, zieht es uns wieder aufs Wasser. Doch als ich dann die Formalitäten erledigen will, kommt uns der Hurrikan Thomas in die Quere. Dieser ist nach drei Tage so weit weg von Venezuela, dass keine Gefahr mehr besteht, doch die Behörde behaltet unverständlicherweise die Hafensperre aufrecht. Wir müssen also eine weitere Woche warten.
Am 5. November ist es dann soweit und wir segeln in Richtung der venezolanischen Insel Tortuga los.