Am 23. Januar 2010 ist es soweit. Wir haben gut geschlafen und ich habe mich soweit von meiner „Erkältung“ erholt. Wir haben mit der Bomika vereinbart, dass wir um neun Uhr Anker auf gehen.
Kurz vor dem vereinbarten Zeitpunkt sind Aroha und ihre Crew bereit. Das Wetter dürfte soweit passen, wir haben zwar wenig bis gar keinen Wind, aber wir sind in der Abschattung der Insel und draußen soll es laut Prognose anders ausschauen. Und so kommt der Befehl „Anker auf!“ sogar fünf Minuten früher als geplant. Ankermanöver sind mittlerweile reine Routinesache und so beschäftigen sich unsere Geister eher mit Fragen wie, haben wir wirklich nichts übersehen oder wie wird es sein, drei Wochen auf See zu verbringen.

Die Ankertiefe liegt bei ca. 7 Meter und wir haben immer noch 15-20 Meter Kette draußen, als die Ankerwinsch mit dem üblichen Stöhnen den Dienst wegen Überlastung quittiert. Das Wasser ist ziemlich trüb und die Kette verschwindet recht schnell aus dem Sichtfeld. Monika ist am Steuer und manövriert das Boot so, dass kein Zug auf der Ankerkette liegt, daher kommt es so überraschend, dass diese sich jetzt senkrecht nach unten spannt. Der Anker war noch nicht Kurzstag, dies würde bedeuten, dass dieser direkt unter dem Bug liegt und die Kette senkrecht nach unten geht. Zu meiner Überraschung habe ich nicht die Zeit die Ankerkette zu fieren bevor die nächste Welle kommt. Dies führt zu einem schrecklichen Ächzen, dass uns endgültig und brutalst aus unserer Träumerei reisst. Ich glaube sogar zu sehen, wie unsere Ankerhalterung sich leicht nach unten biegt.
So wie es aussieht, hat unser Boot Wurzeln geschlagen und wir hängen fest. Ich erinnere mich, dass ich beim Schnorcheln einen Felsen im Wasser gesehen habe, der einzige in der Gegend, aber mit unserem Glück dürften sich unsere Ankerkette um diesen gewickelt haben. Dies ist auch noch nicht so schlimm, man probiert Kreise um das Steinchen zu drehen, während zusätzlich Kette gesteckt und wieder eingeholt wird, um diese so auszuwickeln. Dieses Spielchen probieren wir lange und in alle Richtungen, es ändert an unserem Stand aber nichts. Sao Nicolau will uns partout nicht wegfahren lassen.

Es bleibt nur mehr eins über, Badehose anziehen und nach schauen gehen was los ist. Dies erweist sich als nicht so leicht, denn der Anker liegt auf ca. 6-7 Meter und meine Nase ist noch nicht völlig frei nach meiner Erkältung. Ich schaffe es daher mit dem Schnorchel nicht tief genug, um irgend etwas zu sehen.
Mittlerweile ist es kurz vor zehn Uhr. Die Bomika kreist immer noch um uns herum, doch dies ist sinnlos, da sie auch nichts unternehmen können und da entscheiden wir uns, dass sie einfach mal voraus fahren sollen.
Monika und ich tauschen die Rollen. Ich gehe zurück an Bord und sie versucht tief genug zu tauchen, um sehen zu können was los ist. Doch auch diese Versuche blieben erfolglos. Wir entscheiden uns daher, unseren „Freediver“ auszupacken. Es handelt sich um ein Tiefschnorchelsystem, das wir in dem Bericht über Ibiza schon erwähnt haben. Ich hoffe, dass ich bei einem langsamen Abtauchen den Druckausgleich schaffen würde. Leider wird auch dieser Versuch nicht mit dem entsprechenden Erfolg belohnt. Ich komme jedoch tief genug um zu sehen, dass unsere Kette sich nicht um den Felsen gewickelt hat, dies erklärt wieso unsere ersten „Befreiungsversuche“ nicht funktioniert haben.
Monika traut sich nicht es mit dem Freediver zu versuchen, sie will es aber mit dem Schnorchel noch mal probieren, denn wir wissen immer noch nicht, wo das Problem liegt. Mehrere Versuche bleiben erfolglos, da sie sich an der Kette hinunter hantelt und die war zu lange zum Verfolgen. Ich willt es schon aufgeben, als Monika meint, ich solle die Kette so dicht wie möglich holen, damit sie senkrecht nach unten kommt, so wäre der Weg kürzer. Ich bin von der Idee nicht begeistert, da bei jeder Welle die Kräfte sich schrecklich auf den Bug auswirken würden.
Wir entscheiden uns, es trotzdem zu versuchen. Monika kommt zwar nicht tief genug, um etwas zu sehen, aber die Welle kommt schneller als ich dachte und der Ruck gepaart mit dem schrecklichen Ächzen ist nicht mehr zu vermeiden. Der kräftige Zug lockert jedoch die Kette um ein Paar Zentimeter. Ich hole das Lose sofort wieder ein und so bekommen wir die Kette mühsam und unter roher Gewalt frei. Als der Anker fast an der Oberfläche ist, wird klar, was uns gefesselt hielt. Eine riesige Trosse hatte sich um den Anker gewickelt. Es dauert noch eine ganze Weile bis diese entfernt ist.
Um elf Uhr können wir dann endlich unsere große Fahrt antreten.

Die ersten zwei Stunden müssen wir unter Motor zurücklegen, weil es keinen Wind gibt. Dies ändert sich doch rasch. Die ersten Tagen kommen wir sehr gut voran. Wir haben teilweise bis zu 23 Knoten Wind (Windstärke 6) und die Böen erreichen 26-27 Knoten. Die entsprechenden Wellen mit einer Höhe von ca. 4-5 Meter kommen auch noch dazu. Es ist trotzdem nicht unangenehm, da es ein achterlicher Wind ist und die Welle relativ lang gezogen sind.

Wir sind schon sehr gespannt, wie wir uns an diese Bedingungen und an den Schlafrhythmus anpassen werden. Untertags sind wir die meiste Zeit beide an Deck, so gibt es keine Wacheinteilungen. Für die Nacht ist unser Wachplan so eingeteilt, dass er etwa eine Stunden nach Sonnenuntergang beginnt und vier Wachen à drei Stunden beinhaltet. Das heißt, dass jeder von uns drei Stunden „Dienst“ hat, während der andere in der Koje schlafen kann. Der Diensthabende liegt für gewöhnlich, wenn nichts los ist, auf der Cockpitbank und stellt einen Wecker auf fünfzehn Minuten. Es erfolgt dann ein Rundum blick und Kontrolle, dass alles passt, dann legt er sich wieder für die nächsten fünfzehn Minuten hin und so weiter.
Wir gewöhnen uns rasch an diese Bedingungen, so das wir nicht zu sehr übermüdet sind. Die Tage und Wochen vergehen ziemlich ähnlich: unter Tags lesen oder rätseln und in der Nacht schlafen und Wache halten.

Das Wetter bliebt leider nicht so konstant und der Wind nicht so stark wie am Beginn. Wir haben alles vom Starkwind bis zu Flaute, von achterlichen Winden über Halbwind bis zum Wind auf die Schnauze! Bei diesen wechselhaften Winde kommt es auch, dass über Nacht die Entfernung zwischen der Bomika und der Aroha von ca. dreißig auf ca. neunzig Seemeilen ansteigt. Wir haben uns nördlicher gehalten, während die Bomika südlicher und damit geradewegs in die Flaute hinein gesegelt ist.
Wir segelten gerade an der Grenze von zwei Windzonen und man hätte genau so gut das Ergebnis auswürfeln können. Die Genauigkeit hätte darunter keinesfalls gelitten. Es dürften mehrere kräftige Tiefdruckgebiete nördlich von uns vorbei gezogen sein und für ordentliche Passatstörungen gesorgt haben.
Wegen der seltsamen Windverhältnissen während der gesamten Überfahrt bilden sich auch sehr oft Kreuzseen und wir werden durchgeschüttelt. Man muss sich ständig festhalten, um nicht durch die Gegend geschleudert zu werden. Aber immer, wenn man gerade etwas in der Hand trägt und sich daher nur mit einer Hand festhalten kann, kommt eine der brutalen Wellen daher und schleudert das Schiff und einen selbst auf eine Seite. Da führt zu einer Unmenge blauer Flecken. Dies setzt uns mehr zu als alles andere. Dadurch kann man auch nachts nur schlecht schlafen. Zusätzlich ächzt und stöhnt das Schiff als würde es auseinander fallen. So wie schon bei der Überfahrt auf die Cap Verden. Nur diesmal 3 Wochen lang! Es gibt Tage, da fluchen wir nur mehr. Dies sind unsere schlechten Erinnerungen.

Dafür ist es wunderschön, jede Nacht so einen prachtvollen Sternenhimmel bewundern zu können, ganz zu schweigen von den Sonnenauf- und untergängen.
Am 27. Januar 2010 um ca. sieben Uhr dümpeln wir mit wenig Wind durch eine Schule schlafender Delfine. Es ist ein ungewohnter Anblick dieser Tiere, die sonst immer so spielerisch ums Boot herum schwirren. Sie lassen sich einfach von der Strömung treiben. Nur zum Luft holen bewegen sie sich mit langsamen Flossenschlägen zur Wasseroberfläche hinauf. Wie in Zeitlupe. Es sieht so aus als würden sie nicht einmal merken, dass wir neben ihnen vorbei segeln.

Am 5. Februar 2010 um ca. 10:30 Uhr gibt es dann eine Begegnung der besonderen Art, ein Wal! Dies ist ein gewaltiges Gefühl, es vermischt sich Freude mit etwas Angst. Der Wal kommt nämlich extrem nahe an Aroha heran, so als will er mit ihr spielen oder vielleicht sogar um sie werben?
Er schwimmt eine gute halbe Stunden mit uns, wobei er wie die Delphine aus dem Wasser springt. Ein Teil dieser Sprünge sind sogar „Rückwärtssaltos“, da er auf dem Rücken landet. Ansonsten gleitet er seitwärts oder wie die Delphine vorne direkt unter unserem Bug im Wasser dahin. Der Anblick ist gewaltig, wie er teilweise nur ca. zwei Metern vor dem Bug oder achteraus schwimmt. Seine Sprünge finden teilweise auch in nur ca. fünf Meter Entfernung statt. Wenn man jetzt noch bedenkt, dass er ca. sieben bis acht Meter lang ist, kann man verstehen wieso wir unter anderem auch ein flaues Gefühl haben.

Donnerstag 11. Februar 2010 müssen wir in der Früh den Motor anwerfen, da es unter Segeln mit der vorhandenen Strömung und dem schwachen Wind nicht mehr möglich ist, in die richtige Richtung zu segeln. Um ca. zehn Uhr kommt Barbados in Sichtweite. Es ist ein super Gefühl nach drei Wochen und dem Atlantik hinter sich, wieder so nahe an Land zu sein!
Es dauert dann noch bis zum späten Nachmittag bis wir Port St. Charles erreichen. Es handelt sich hier um einen privaten Luxushafen, wo man als kleiner Yachtie nur anlegen kann zum Einklarieren. Nachdem wir am Holzpier angelegt haben, stellt sich heraus, dass es einen ordentlichen Schwell gibt. Dazu legt noch eine große Motoryacht an der Tankstelle hinter uns an, so dass nur ein Meter zwischen unserer Windsteueranlage und ihrem Rumpf ist. Bei jeder Welle drohen die Klampen am Steg als auch an Bord nachzugeben. So legen wir wieder ab, gehen an eine Mooring und kommen später mit den Dinghi an Land zum Einklarieren.
Die Beamten sind sehr freundlich und so werden die Formalitäten rasch und unbürokratisch erledigt. Es steht einem Spaziergang an Land nach drei Wochen auf See nichts mehr im Wege.
Am nächsten Tag kommt die Bomika mit Charly & Lisa. An diesem Abend ist dann endlich die Zeit gekommen, den Champagner, den uns Freddy & Christian für diese Gelegenheit geschenkt haben, zu köpfen. Danke für das Geschenk, er hat phantastisch gemundet.