Nach der Durchfahrt durch den Panamakanal ankern wir vor der imposanten Skyline von Panama City in Las Brisas.
Annemarie von der Anna X und ich fahren bei der Ave Gitana, dem Renntrimaran der Österreicher Reinhard und Sandra als Linehandler mit. Da lernen wir die unprofessionelle Seite der Kanalbehörde kennen. Am ersten Abend wird der Transit abgesagt, weil sich Reini nicht dazu erpressen ließ, aufs Päckchen zu gehen. Das haben sie beim Vermessen auch ausdrücklich angegeben, da die beiden seitlichen Schwimmer bei diesem Trimaran viel zu schwach sind und abbrechen würden. Ich schreibe an Monika ein eMail, dass wir aufgrund der enormen Geschwindigkeit des Tri beschlossen hätten, statt durch den Panamakanal um Kap Hoorn zu fahren. Sie freut sich sehr für mich.
Während des Schleußens in den nächsten beiden Tagen kommt uns die Mauer mehrmals viel zu nahe weil Kanalmitarbeiter nicht anwesend oder zu langsam beim Befestigen der Leinen sind. Der Höhepunkt wird erreicht, als Annemarie die für rückwärts bestimmte Affenfaust knapp neben die Schläfe bekommt, obwohl sie am Bug damit beschäftigt ist, die vordere Affenfaust aufzuheben. Letztlich kommen wir aber ohne weitere Probleme in Las Brisas an.
In den nächsten Wochen lernen wir zahlreiche Facetten von Panama City kennen. Besonders das Bus fahren macht uns viel Spaß. Wie schon in Portobello hat auch hier jeder Fahrer seinen Bus individuell geschmückt: mit Graffitis innen und außen, Bändern, Fähnchen und mehr. Sogar die Windschutzscheiben sind beinahe flächendeckend dekoriert. Wieviel vom Verkehr draußen er noch sehen kann, wissen wir nicht und wollen es auch lieber nicht wissen. Es gibt offizielle Haltestellen, es ist jedoch möglich auch zwischendurch ein- und auszusteigen, sofern man den Bus nicht aufhält und keine Polizei in der Nähe ist. Mehrmals muss ich neben dem Bus laufen, um noch schnell aufzuspringen. Wohin der Bus fährt, steht auf der Windschutzscheibe aufgemalt, zusätzlich springt der Copiloten bei jedem Halt hinaus und verkündet lautstark die wichtigsten Stopps. In den Bus werden so viele Passagiere wie möglich gepresst. Die Leute sind sehr freundlich, meist rücken sie auf einer 2-er Bank noch zusammen, damit sich noch ein dritter dazu quetschen kann oder nehmen das Gepäck ab, damit man sich bei der wilden Fahrt besser festhalten kann. Ist der Bus nicht so überfüllt, wird auch für Unterhaltung abgesehen von dem Musikgedröhn gesorgt. Bauchladenverkäufer steigen zwischendurch ein und vertreiben nicht nur Speisen und Getränke, sondern auch Werkzeug, Zahnbürsten, Schreibwaren und ähnliches. Oder sammeln Spenden für uns nicht verständliche Zwecke. Das ganze mit einem eindringlichen Redeschwall begleitet wie bei uns, wenn sie diese Reibeisen anpreisen. Dies alles wird für nur 25 US-Cent pro Fahrt geboten, die man beim Aussteigen dem Fahrer zahlt. Somit weiß man bei den Bussen zumindest, worauf man sich einlässt. Bei den Taxis hingegen kann man das Feilschen üben, ansonsten wird man nach Strich und Faden ausgenommen.
In Panama City kann man nahezu alles kaufen. Haben wir geglaubt, denn jegliche Bootsausrüstung abgesehen von Fischereibedarf oder sehr gängigen Wartungsartikeln muss man sich aus Amerika schicken lassen. Oder zumindest ist es billiger. So will uns der örtliche Navionicshändler die elektronische Karte für die Südsee teurer verkaufen als sie mitsamt den Frachtspesen bei Bestellung in den USA kosten würde. Bei diesen Recherchen und der nach Lebensmittel für die nächsten Monate, erkunden wir weite Teile der Stadt, wie das Büroviertel mit den Wolkenkratzern, die Einkaufsstraßen Avenida Central mit den billigen Chinaläden und Kaufhäusern, die etwas noblere Via España bis hin zur Altstadt, in der noch einige schöne Häuser und Kirchen erhalten sind, während dazwischen nur mehr Fassaden stehen. Dort besuchen wir auch das Kanalmuseum, das nicht nur dem Kanal sondern auch der Geschichte Panamas, insbesondere dem Unabhängigkeitskampf von Amerika, gewidmet ist.
Während wir auf die Bestellung aus Amerika warten, fahren wir gemeinsam mit Annemarie und Helnut von der AnnaX und Helga und Rene von der Amigo mit dem Autobus nach El Valle. Dies ist ein Ferienort in den Bergen zwei Busstunden von Panama City entfernt, aber auch (Zweit-)Wohnsitz für gut Verdienende. Wir mieten ein großes Appartement für die Nacht, erkunden den Ort, baden in heißen Quellen und besuchen den armseligen Tiergarten. Wir bedauern die Tiere die hier meist nicht artgerecht gehalten werden. Ein gutes Abendessen und ein Gläschen Wein oder Bier auf der Terrasse runden den Tag ab.
An den Felszeichnungen vorbei wandern wir auf die „Schlafende Indianerin“. Die Überquerung auf dem Kamm müssen wir aber wegen sehr heftiger Windböen abbrechen. An einem Bach machen wir Mittagsrast, die von Affen beobachtet wird. Auf der Rückfahrt im Bus erholen wir uns von zwei wunderschönen anstrengenden Tagen.
Nach diesem herrlichen Wochenende dauert es noch eine Weile bis unsere bestellte Ausrüstung ankommt und wir den manchmal sehr rolligen Ankerplatz verlassen können. An einem besonders unangenehmen Tag skypt Monika gerade mit ihrer Schwester und diese kann die Ereignisse live miterleben. Über VHF-Funk meldet eine aufgeregte Stimme, dass durch die mehr als 1m hohen Wellen ein Anker losgerissen wurde und ein Boot Richtung Damm treibt. Noch während wir schauen, wo das betroffene Schiff liegt, wird bereits der nächste Ausreißer gemeldet. Ich springe ins Dinghi und fahre hin, um beim Einfangen zu helfen. Wir stabilisieren die Boote, da kehren glücklicherweise die Besitzer zurück und können übernehmen.
Aroha ist voll beladen. Die Lebensmittelinventarliste ist mehr als 400 Zeilen lang und ist nicht nur für das Wiederauffinden sondern auch für das Überprüfen der Ablaufdaten notwendig. Das schaukelsichere Verstauen der Esswaren und Ersatzteile für mehrere Monate war eine knifflige Angelegenheit. Auch einige Konservengläser haben wir eingekocht. Trotzdem beschließen wir die Abfahrt um einen Tag zu verschieben, da heute am Faschingsdienstag der große Karnevalsumzug stattfinden soll. Gemeinsam mit Leena und Peter von der Nicone fahren wir am frühen Nachmittag in die Stadt, da wir gehört haben, dass es um 14 Uhr beginnen soll. Die Karnevalszone ist abgesperrt, an den Zugängen werden die Ausweise genau kontrolliert, Taschen durchsucht und jeder zusätzlich mit Metalldetektoren geprüft. Jeder? Nein, nicht jeder! Nur Einheimische. Denn nicht nur, dass wir von einem Soldaten an der Warteschlange vorbei gewunken werden, es reicht ihnen ein kurzer Blick in Erics Passkopie! Und wir dürfen ohne jede weitere Kontrolle passieren. Der einzige Weg führt quasi über die Tanzfläche, die von drei mit Wasserwerfern bestückten Sattelschleppern flankiert wird. Eine dicht gedrängte Menschenmenge tanzt begeistert unter den Wasserfontänen. Wir schieben uns zentimeterweise vorwärts. Und weil der Himmel auch seinen Beitrag zum Vergnügen leisten will, geht zusätzlich noch ein Wolkenbruch über uns hernieder. Wir sind binnen Minuten pudelnass und durch den kräftigen Wind wird uns sehr kalt. Nicht nur uns, wir sehen auch einige Kinder mit blauen Lippen und klappernden Zähnen. Als wir dann noch erfahren, dass der Umzug erst nach 21 Uhr beginnt, kommt echte Karnevalsstimmung auf und wir suchen ein Taxi, dass uns tropfnass zurück bringt. Was für ein Vergnügen!
Am 10. März 2011 verlassen wir endlich Panama City und fahren zu den Las Perlas. Wir übernachten vor der kleinen Insel Pacheca, auf der es nur ein Haus gibt. Wir sitzen gerade gemütlich beim Frühstück, da meldet eine aufgeregte Stimme über VHF, dass es in Japan ein schweres Erdbeben vermutlich mit mehreren Toten gegeben hat und eine Tsunamiwarnung für den Nordpazifik herausgegeben wurde. In Panama soll die Welle etwa gegen 22 Uhr Ortszeit eintreffen. Wir holen sofort über Amateurfunk die aktuellen Warnungen. Die Welle soll aber hier nur etwa 1-2m hoch werden, das ist für uns vor Anker auf über 10m kein Problem. Wir fahren auf die Nachbarinsel Contadora, dort sind wir zusätzlich noch durch eine vorgelagerte Insel geschützt. Hier gibt es auch Internet und wir lesen, dass die Welle bisher immer unter 2m blieb. Trotzdem erhalten wir ein eMail, dass alle Boote die Bucht in San Cristobal, Galapagos, aus Sicherheitsgründen verlassen mussten.
Nachmittags besuchen wir Günter. Er ist mit seiner Frau Susanne vor mehr als 30 Jahren von Deutschland nach Contadora gezogen. Der 80-jährige Günter ist passionierter Amateurfunker und moderiert täglich ein Netz für deutschsprachige Segler. Außerdem gibt er Empfehlungen, wie man seine Amateurfunkanlage verbessern kann. Während ich mich noch um seinen Computer kümmere, sieht Monika im Fernsehen die ersten Bilder des schrecklichen Erdbebens. Auch die Tsunamiwarnung wird wiederholt, doch wir bemerken von der Welle in der Nacht überhaupt nichts.
Nach der Ankunft von Leena und Peter mit der Nicone, erkunden wir mit ihnen gemeinsam die Inseln und einige Tage später Espiritu Santo. Da wir noch das Ruderblatt für die Windsteueranlage mit Antifouling streichen müssen, fahren Leena und Peter schon zur nächsten Insel weiter und starten kurz danach die Überfahrt nach Galapagos. Wir lassen uns Zeit, da für die Überfahrt nur sehr wenig Wind angesagt ist. Bei der Insel Cañas wandern wir die Felsküste entlang, bis uns die nahende Flut zum Umkehren zwingt, im Südosten der Isla del Rey rudern wir mit dem Dinghi in den Rio Cacique. Wir sehen zwar nicht so viele Tiere wie erhofft, denn obwohl wir versuchen, so leise wie möglich zu rudern, ist es vermutlich immer viel zu laut. Aber die Stimmung, die Geräusche, die Rufe der Vögel, es ist sehr idyllisch. Als der Fluss immer enger wird, kehren wir um, es könnte ja Krokodile in der Nähe geben. Später erfahren wir, dass sie dort tatsächlich leben.
Da wir in Kuna Yala erfahren mussten, dass es nicht immer und überall möglich ist, unsere Campinggasflaschen aufzufüllen, haben wir schon einige Leute befragt, ob das in Galapagos möglich ist. Alle meinen, nein, wissen es aber nicht definitiv. Wir haben nur zwei derartige Gasflaschen, die man nur in Europa erhält und insgesamt für etwa sechs bis acht Wochen reichen. Zwei Wochen verwenden wir sie bereits, zwei Wochen Überfahrt nach Galapagos, drei Wochen dort und vier bis fünf Wochen zu den Marquesas. Kein Kaffee zum Frühstück, kein warmes Essen, das ist eine Horrorvorstellung. Also müssen wir wieder zurück nach Panama City und lokale Gasflaschen kaufen. Wir sind von Pontius zu Pilatus und wieder zurück gelaufen. Jeder hat uns etwas anderes erzählt und sehr oft reinen Blödsinn. Letztendlich hat uns Juan, der auch eine Geschäft für Segelbedarf besitzt und vieles für Segler erledigt, zwei panamesische Alugasflaschen besorgt, amerikanische Anschlüsse darauf gemacht und den Tragegriff etwas abgeschnitten, damit wir sie an Bord unterbringen können. Nachdem wir alle Bauhäuser abgeklappert haben, haben wir auch passende Anschlüsse gefunden und ich habe unser System so umgebaut, dass wir jetzt sowohl unsere alten als auch die neuen Flaschen verwenden können. Das ganze hat zwei Wochen und sämtliche Nerven gekostet.
Deshalb gönnen wir uns vor der Abreise einen Ruhetag und besuchen das nahe gelegene Smithonian Institut, wo wir in einigen Aquarien Meerestiere beobachten und Seesterne sogar angreifen können und auf Schautafeln Meeresströmungen oder das Leben der Wasserschildkröten erklärt wird. Eine freilebende Boa in einem Baum und ein Krokodil neben dem Ankerplatz erinnern uns daran, dass der Mensch hier noch nicht alle Natur ausgetrieben hat.
Am Sonntag den 17. April fahren wir nachmittags nach Taboga, nur wenige Meilen von Panama City entfernt. Taboga ist ein nette kleine Insel mit einem reizenden Ferienort. Hier wollen wir noch einmal im Meer baden und übernachten, bevor wir die Überfahrt nach Galapagos antreten.